Dienstag, 13. September 2011

Social Work.

So. Jetzt mal seriös hier. Spaß beiseite, Ernst herbei. Muss ja auch mal schildern, was der Grund beinhaltet, weswegen ich eigentlich hier bin: Bachelor schreiben und Praktikum machen.


Haben nicht übereinstimmende Arbeitszeiten: Ich bin am Montag und Mittwoch dran. Angelika und Maaike am Dienstag und Mittwoch. Und alle zusammen sitzen wir den Freitag im kalten Student Office, eigens für uns eingerichtet ab. Getrennt sind wir am Arbeiten, weil unsere Einrichtung, die SPD (Gauteng North Service to People with Disabilities), zu wenige Autos hat. Die Social Worker sind eingeteilt in Teams, bestehend aus 2-4 Personen. Jedem Team gehört ein Township (wir nennen es Area... Aber ich nenne es mal Township,für alle Nichtwisser unter uns) an. Dieses wird an zwei Tagen in der Woche bereist, siehe unsere Arbeitstage. Und da schließt sich der Kreis: es können nicht immer alle gleichzeitig losziehen, da Automangel herrscht und die Townships teilweise eine Stunde Fahrt entfernt liegen. Dieses gehört aber noch zum normalen Einzugsgebiet der SPD. Social Worker werden sowieso nicht so wie bei uns eingesetzt. Wir arbeiten mit allen möglichen Gruppen Menschen: Social Work hier richtet sich an die, die nichts haben. The poor of the poorest! Also wird in den Townships begonnen. Denn hier liegen die meisten Probleme vergraben: in Familienstrukturen, Aids, vaterlose Kinder, Gewalt, Drogen, Hunger, Armut. Und ich sitze da mittendrin. Ist einem nicht so bewusst, aber ich beschäftige mich zwei Tage in der Woche genau mit dem, was man im Fernsehen immer über Afrika hört.


Aber eines werde hier jetzt mal korrigiert: Townships sind nicht voll mit Menschen, die nur in Blechhütten oder nich weniger wohnen. Menschen in Townships arbeiten teilweise. Manche studieren! Viele wollen raus. Und Häuser haben 50% der Menschen da auch.Kleine, sehr kleine Häuser. Aus Lehm oder was auch immer mit Wellblechdach. Aber es sind Häuser. Sie haben Strom und Wasser. Und die Kinder in Townships gehen zur Schule. Denn Schulen gibt es zur Genüge in den Townships hier!Bis jetzt wurde ich auch nicht angefallen, ausgeraubt oder bedroht.


Eher das Gegenteil: Ich bin eine Gottheit. Zumindest in Townships. Denn da verkehren keine Weißen. Auch alle Social Worker sind schwarz. Zusammenhalt und so! Fahren wir also in unserem Auto die nicht geteerten Straßen auf und nieder, bin ich die meiste Zeit damit beschäftigt zu winken. Und das ist kein Scherz. Die Menschen, vor allem die Kinder, wollen mit mir sprechen und begrüßen mich deswegen fröhlich. Ich muss höflich zurück winken und grinse, das mir Muskeln aus den Wangen wachsen. Wenn ich das nicht tue, bekomme ich nämlich Ärger mit Martha, der Auxilary Workerin (erkläre gleich was das ist) in meinem Team. Und die kann aufbrausend werden, meine Lieben. Nicht nur Italiener haben Temperament. Warum die ganzen Menschen sich so freuen, mich zu sehen? Weil sie denken, dass ich Geld bringe. Kommt ein Weißer in ihre Region, dann bringt er in der Regel Geld. Blöd. Hab nur Bafög. Und das reicht mal so grad für mich. Auch so ne Sache: wenn man sagt, dass man nicht mehr Geld hat, als die meisten hier, dann wird man ausgelacht. Wurst, welche Beispiele man nennt, sie glauben einem nicht. Denn ich bin ja aus dem reichen Europa, ich habe also logischerweise Geld. Ich habe schon alles an Erklärungen versucht, ich bin und bleibe reich. Auch eine nette Vorstellung.


So. Jetzt aber mal wirklich zur Arbeit. Ich arbeite zusammen mit Martha, Auxilary Worker. Das heißt sie ist ein Sozi in verkürzter Form: anstelle von vier Jahren nur zwei Jahre studiert und Hauptaufgabe ist das assistieren des eigentlichen Social Worker. Das ist in unserem Team Mr Mumfumba. Der ist jünger und Social Worker. Hat nur ein Probelm, und das ist das gleiche, das ich auch habe: er spricht nicht das Afrikanisch, dass die Menschen in Hammanskraal (mein Township) sprechen. Er versteht also kein Wort und die Menschen auch nicht. Außer sie sprechen Englisch. Das ist aber eher selten. Wir sitzen also beide im selben kleinen Boot und Martha ist unser Kapitän. Denn Martha ist 54Jahre jung und hat ne Menge Sozio-Erfahrung aufm Buckel und zudem nützliche Sprachkenntnisse. Ich warte auf den Tag, wenn Martha nicht da ist... Schön ist, dass Gebärdensprache in Deutschland und Afrika die gleiche ist. Ich kann also in der Tat kommunizieren. Schade um Mr Mufumba, der sein Studium bereits beendet hat. Dann ist er auf mich angewiesen. Muhahha. Die reiche Weiße wieder.

Unser Tag sieht als folgt aus( wobei berücksichtigt werden muss, dass afrikanische Uhren anders gehen. Meist laufen sie hinterher oder gleich ein bisschen langsamer):


Wir verlassen die SPD frohen Mutes um 8.30Uhr in der Früh. Wir reisen eine Stunde und erreichen Hammanskraal (Hammanskraal ist die Stadt. Ihr gehören die Twonships an, die ich gleich nenne). Am Montag sind wir in Kekana, am Mittwoch in Kanana. Wir halten Einkehr in den gemieteten Büroräumen, die wir in Deutschland sicherlich als Abstellkammer nutzen würden. Montags sitze ich in einem Development-Center. In dem developt aber einzig und allein die Masse an Staub. An Mittwoch in einem kleinen Townshiphaus mit Blechdach, das das Büro von Krankenschwestern ist, die sich um HIV-Infizierte kümmern.

Wir sitzen da und tuen sogenannte 'Intakes'. Wir empfangen die Leute, hören uns ihre Probleme an, dreschen mit Ratschlägen und Belehrungen auf sie ein oder laden die Person ein, die Schuld an dem Problem ist: meistens gewalttätige Ehemänner, Kindesväter die sich nicht kümmern oder nicht zahlen. Selten etwas erfreuliches. Selten ein gelöstes Problem. Es ist ermüdende Arbeit und ich frage mich, wie die Social Worker es schaffen das ihr Leben lang zu tun. Erscheinen keine Menschen mit Problemen mehr wird sich wieder ins Auto gesetzt und wir besuchen alte Bekannte zu Hause: Home visits. Meistens geht es um 'foster parents': Pflegeeltern, die Kinder von vertorbenen oder verschwundenen Eltern aufnehmen. In den meisten Fällen sind es die Großeltern der Kinder. Wir schauen, wie es ihnen geht, ob sie was brauchen und ob sie ich berechtigt sind Finazierungen vom Staat zu empfangen. Treffen wir die Kinder nicht zu Hause an, fahren wir die Schulen ab. Schauen, wie es Ihnen geht, ob sie gepflegt sind.


Das alles ist anstrengend. Denn meine Vorstellungen von einem guten zu Hause für ein traumatisiertes Kind sind verschieden anders, dann die der Afrikaner. Ich würde ein Kind niemals mit 5 anderen Personen in einer 30m² Hütte unterbringen. Ich muss mich definitiv noch gewöhnen. Denn Schmutz, Unordnung und Armut sind hier normal und gehören zum Alltag.

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